Zurück zum Meister
Der Treppenaufgang zu Andreas Löfflers Büro wirkt wie ein Meisterbrief-Museum: Die Auszeichnungen vieler seiner Mitarbeiter hat der 58-jährige Ofenbaumeister dort an die Wand gehängt – sieben Stück reihen sich aneinander. Mit Stolz zeigt Löffler auf sie und erzählt von der langen Tradition seines Unternehmens in Großenhain bei Meißen. 1946 wurde der Betrieb gegründet, der sich um Ofenbau und Fliesenarbeiten kümmert. Seit 30 Jahren führt Löffler das Unternehmen. Doch wenn er über die Gegenwart spricht, wirkt er ratlos. Löffler arbeitet sechs Tage die Woche, meist zwölf Stunden am Tag. Vor kurzem hat er seinen letzten Lehrling ausgebildet. Aktuell befindet sich kein angehender Handwerker in Löfflers Ausbildung. Das liegt vor allem an den Entwicklungen der vergangenen Jahre. Löffler hat keine Lust mehr und ist sauer auf die Politik. „Die Meisterpflicht abzuschaffen war ein großer Fehler. Wir leiden sehr darunter.“
Mit der Änderung der Handwerksordnung 2004 hat der Bundestag für 53 Berufe die Meisterpflicht abgeschafft. Bis zu diesem Zeitpunkt brauchten Handwerker diese Qualifikation, um sich mit einem Betrieb selbstständig zu machen. Die Änderung gilt beispielsweise für Fliesenleger, Uhrmacher und Feinoptiker. Ziel waren mehr Wettbewerb und Unternehmensgründungen. Heute, fast 13 Jahre später, sind die Entwicklungen durch die Deregulierung dramatisch. Das lässt sich vor allem am Beispiel der Fliesenleger festmachen. Laut des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) stieg die Zahl der Betriebe in diesem Gewerk zwar bundesweit auf rund 70.000 an, aber zum großen Teil setzen sich diese Betriebe aus Ich-AGs zusammen. Obwohl die Zahl der Betriebe seit 2004 so stark wächst, werden deutschlandweit trotzdem um ein Drittel weniger Lehrlinge ausgebildet. Die Zahl der Meisterschüler ging seit 2004 sogar um 80 Prozent zurück.
Eine weitere Deregulierung ist bereits in Planung. Im Januar dieses Jahres legte die Europäische Kommission das sogenannte Dienstleistungspaket vor. Dieses Paket könnte den Handwerkern das Leben noch schwerer machen. Die Kommission hat ein Analyseraster entwickelt, an dem jede Berufszugangsbeschränkung geprüft werden soll. Das heißt, dass sich jeder Beruf in Deutschland diesem Test unterziehen muss, um auf europäischer Ebene herauszufinden, inwiefern Qualifikationen für bestimmte Berufe notwendig sind. Tritt das Dienstleistungspaket in Kraft, ist eine Wiedereinführung der Meisterpflicht in Deutschland kaum noch zu rechtfertigen. Die Folgen würden dann noch dramatischer ausfallen als ohnehin schon: Fachkräftemangel und eine drohende Jugendarbeitslosigkeit.
Qualität und Image des Handwerks leiden
Die Abschaffung der Meisterpflicht hat vor allem die Berufseintrittsbarriere drastisch nach unten geschoben. „Zulassungsfrei heißt: keine Qualifikation notwendig. Also auch kein Gesellenbrief. Sie brauchen in diesen Gewerken eigentlich gar nichts und können sich Handwerker nennen“, sagt Claus Gröhn, Präsident der Handwerkskammer zu Leipzig. Der 59-jährige Inhaber eines Dachdeckerunternehmens in Leipzig beobachtet die Entwicklungen seit 2004 mit großer Sorge. „Die Qualität und das Image des Handwerks leiden sehr unter der Abschaffung der Meisterpflicht.“ Für junge Menschen gebe es kaum noch Anreize, einen handwerklichen Beruf zu erlernen, wenn sie sich auch ohne Qualifikation selbstständig machen können. Eine weitere Auswirkung sei die hohe Fluktuation der Unternehmen, sagt Gröhn. „Viele Gründungen nach 2004 waren Strohfeuer-Gründungen, aber nicht nachhaltig.“
Mehr Betriebe sollten sich doch positiv auf die Handwerkskammern auswirken. Aber Claus Gröhn hält dagegen: Die Beitragshöhe wird nämlich abhängig vom Gewinn des Unternehmers festgelegt. Wir sind zwar mehr Betriebe jetzt, aber haben weniger Einnahmen, weil die Solo-Betriebe keine hohen Gewinne einfahren.“ Damit die Verwaltungs- und Ausbildungskosten zu bewältigen, sei eine tägliche Herausforderung.
Der Treppenaufgang zu Andreas Löfflers Büro wirkt wie ein Meisterbrief-Museum: Die Auszeichnungen vieler seiner Mitarbeiter hat der 58-jährige Ofenbaumeister dort an die Wand gehängt – sieben Stück reihen sich aneinander. Mit Stolz zeigt Löffler auf sie und erzählt von der langen Tradition seines Unternehmens in Großenhain bei Meißen. 1946 wurde der Betrieb gegründet, der sich um Ofenbau und Fliesenarbeiten kümmert. Seit 30 Jahren führt Löffler das Unternehmen. Doch wenn er über die Gegenwart spricht, wirkt er ratlos. Löffler arbeitet sechs Tage die Woche, meist zwölf Stunden am Tag. Vor kurzem hat er seinen letzten Lehrling ausgebildet. Aktuell befindet sich kein angehender Handwerker in Löfflers Ausbildung. Das liegt vor allem an den Entwicklungen der vergangenen Jahre. Löffler hat keine Lust mehr und ist sauer auf die Politik. „Die Meisterpflicht abzuschaffen war ein großer Fehler. Wir leiden sehr darunter.“
Mit der Änderung der Handwerksordnung 2004 hat der Bundestag für 53 Berufe die Meisterpflicht abgeschafft. Bis zu diesem Zeitpunkt brauchten Handwerker diese Qualifikation, um sich mit einem Betrieb selbstständig zu machen. Die Änderung gilt beispielsweise für Fliesenleger, Uhrmacher und Feinoptiker. Ziel waren mehr Wettbewerb und Unternehmensgründungen. Heute, fast 13 Jahre später, sind die Entwicklungen durch die Deregulierung dramatisch. Das lässt sich vor allem am Beispiel der Fliesenleger festmachen. Laut des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) stieg die Zahl der Betriebe in diesem Gewerk zwar bundesweit auf rund 70.000 an, aber zum großen Teil setzen sich diese Betriebe aus Ich-AGs zusammen. Obwohl die Zahl der Betriebe seit 2004 so stark wächst, werden deutschlandweit trotzdem um ein Drittel weniger Lehrlinge ausgebildet. Die Zahl der Meisterschüler ging seit 2004 sogar um 80 Prozent zurück.
Eine weitere Deregulierung ist bereits in Planung. Im Januar dieses Jahres legte die Europäische Kommission das sogenannte Dienstleistungspaket vor. Dieses Paket könnte den Handwerkern das Leben noch schwerer machen. Die Kommission hat ein Analyseraster entwickelt, an dem jede Berufszugangsbeschränkung geprüft werden soll. Das heißt, dass sich jeder Beruf in Deutschland diesem Test unterziehen muss, um auf europäischer Ebene herauszufinden, inwiefern Qualifikationen für bestimmte Berufe notwendig sind. Tritt das Dienstleistungspaket in Kraft, ist eine Wiedereinführung der Meisterpflicht in Deutschland kaum noch zu rechtfertigen. Die Folgen würden dann noch dramatischer ausfallen als ohnehin schon: Fachkräftemangel und eine drohende Jugendarbeitslosigkeit.
Qualität und Image des Handwerks leiden
Die Abschaffung der Meisterpflicht hat vor allem die Berufseintrittsbarriere drastisch nach unten geschoben. „Zulassungsfrei heißt: keine Qualifikation notwendig. Also auch kein Gesellenbrief. Sie brauchen in diesen Gewerken eigentlich gar nichts und können sich Handwerker nennen“, sagt Claus Gröhn, Präsident der Handwerkskammer zu Leipzig. Der 59-jährige Inhaber eines Dachdeckerunternehmens in Leipzig beobachtet die Entwicklungen seit 2004 mit großer Sorge. „Die Qualität und das Image des Handwerks leiden sehr unter der Abschaffung der Meisterpflicht.“ Für junge Menschen gebe es kaum noch Anreize, einen handwerklichen Beruf zu erlernen, wenn sie sich auch ohne Qualifikation selbstständig machen können. Eine weitere Auswirkung sei die hohe Fluktuation der Unternehmen, sagt Gröhn. „Viele Gründungen nach 2004 waren Strohfeuer-Gründungen, aber nicht nachhaltig.“
Viele Ich-AGs und wenig Nachwuchs
Die vielen Ich-AG-Gründungen beobachtet auch Ofenbaumeister Andreas Löffler. „Ich habe meine eigene Konkurrenz ausgebildet“, sagt der Mittelständler. Trotzdem gehen auch seine Azubi-Zahlen seit Jahren zurück. In den 1990er Jahren waren insgesamt 50 Mitarbeiter in seinem Unternehmen angestellt, zeitweise hatte er bis zu zehn Lehrlinge. Sein letzter Lehrling hat vor kurzem seine Gesellenprüfung bestanden. Ein neuer ist nicht in Sicht. „Die Attraktivität des Berufs hat durch die Abschaffung der Meisterpflicht stark einbüßen müssen“, sagt Löffler. „Wenn jetzt auch noch das neue EU-Dienstleistungspaket in Kraft tritt, dann werden wir kaum noch Nachwuchs im Handwerk generieren können.“
Auch Europapolitiker der CDU sprechen sich für die Wiedereinführung der Meisterpflicht aus – und gegen weitere EU-Deregulierungen. „Bildung bleibt Vorrecht der einzelnen Staaten“, stellt Markus Pieper fest, CDU-Europaabgeordneter aus Münster und Sprecher des Parlamentskreises Mittelstand (PKM) der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament. Mit dem Vorschlag des Dienstleistungspakets wolle die Kommission transparente und verhältnismäßige Auflagen für Berufszugänge schaffen und so Wettbewerbsnachteile für Unternehmen aus anderen EU-Ländern vermeiden. Pieper: „Sie schreibt den Mitgliedstaaten aber nicht vor, welche Berufe zu reglementieren sind. Wir sind deswegen auch der Meinung, dass die Meisterpflicht für Fliesenleger und andere wiedereinzuführen ist.“ Carsten Linnemann, Bundesvorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU, befürwortet die Wiedereinführung der Meisterpflicht auch für die davon bereits befreiten Gewerke. „Freier Marktzugang gehört zur DNA der Sozialen Marktwirtschaft. Die Meisterpflicht ist jedoch nicht irgendein lästiges Handelshemmnis, sondern ein wichtiger Qualitätsstandard des deutschen Handwerks.“
Schwarzarbeit und Scheinselbstständigkeit
Schwarzarbeit und Scheinselbstständigkeit sind weitere Negativfolgen der Handwerksnovelle von 2004. „Das ist alarmierend“, sagt Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB). „Angemeldete Fliesenleger arbeiten in manchen Fällen gar nicht in diesem Gewerk, sondern übernehmen andere Aufgaben auf dem Bau, weil sie keine Zugangsqualifikationen vorweisen müssen“, so Pakleppa. Eine Kontrolle sei sehr schwierig, denn genau nachzuweisen, welcher Arbeiter welche Aufgaben auf dem Bau tagtäglich erledigt, sei nahezu unmöglich. Eine Wiedereinführung der Meisterplicht begrüßt der ZDB – aber: „Ein Schritt, der zuvor gegangen werden könnte, wäre zum Beispiel die Gesellenprüfung als Zugangsvoraussetzung festzulegen. Generell gilt, dass wir Zugangsvoraussetzungen für die Berufe im Baugewerbe benötigen, damit nicht jeder einfach so einen Fliesenlegerbetrieb eröffnen kann“, fordert Pakleppa.
Die Fliesenleger sind nur ein Beispiel von vielen Gewerken, für die sich die Handwerksnovelle negativ ausgewirkt hat. Zulassungsfrei ist beispielsweise auch das Uhrmacherhandwerk. Im Vergleich zu 2004 sind auch hier die Meisterprüfungen um die Hälfte zurückgegangen. „Wir haben die Abschaffung zum Anlass genommen noch mehr Werbung für den Meister zu machen. Denn dieser steht für höchste Qualität“, sagt Ernst Gottlieb, Präsident des Zentralverbands für Uhren, Schmuck und Zeitmesstechnik. Als Gottlieb während einer Japanreise den Uhrenhersteller Casio besuchte, war er von dessen Qualifikationsbezeichnungen begeistert. „Die niedrigste Qualifikationsstufe fing mit Gold an. Es ging weiter mit Platin, aber die höchste Auszeichnung wurde von den Japanern mit dem deutschen Begriff ‚Meister‘ bezeichnet“, erzählt Gottlieb.
Negativfolgen für die Verbraucher
Einer von diesen deutschen Meistern führt sein Uhren- und Juweliergeschäft in der bayerischen Stadt Mainburg. Albert Fischer ist Uhrmachermeister und Dozent an der Bayerischen Uhrmachermeisterschule in Würzburg. „Mit der Abschaffung der Meisterpflicht sind auch die Pflichtjahre zwischen Gesellen- und Meisterprüfung weggefallen“, sagt Fischer. Damit fehle vielen Gesellen die nötige praktische Erfahrung, die sie für die Meisterschule brauchen. Eine weitere Deregulierung des deutschen Ausbildungssystems hätte einen erheblichen Qualitätsverlust im Uhrmacherhandwerk zur Folge. „Während der Meisterschule erlernen die Gesellen nicht nur weiteres berufsbezogenes Wissen und praktische Fertigkeiten, sondern werden auch in betriebswirtschaftlichen Dingen geschult.“ Da sich nun auch Gesellen und Geringqualifizierte selbstständig machen könnten, fehle vielen dieses Wissen, um einen eigenen Betrieb zu führen. Manche würden sich dann verkalkulieren und müssten ihren Betrieb schnell wieder schließen, sagt Fischer.
Von einer Wiedereinführung der Meisterpflicht hätten auch die Verbraucher viele Vorteile. „Ein praktisches Beispiel für die Vorteile eines Meisterbetriebes ist die Reparatur eines mechanischen Chronografen“, sagt Uhrmachermeister Fischer. „Diese Uhren besitzen eine komplizierte Technik und viele junge Gesellen sind mit dieser Arbeit zunächst überfordert.“ Auch Ofenbaumeister Andreas Löffler kann sich in diesen Schilderungen wiederfinden: „Oft kommen meine Mitarbeiter und ich auf die Baustelle und müssen uns zuerst der verpfuschten Vorarbeit widmen.“ Zugangsvoraussetzungen für handwerkliche Berufe seien deshalb auch für den Endverbraucher enorm wichtig. „Es geht nicht immer nur um Europa“, sagt Löffler. „Wir sind auch noch da.“